Die Rolle von Vertrauen
  • Nach Meeßen et al. (2020) ist Vertrauen in ein Informationssystem (IS) die Bereitschaft, sich auf ein IS zu verlassen und ihm gegenüber verletzlich zu sein, ohne die Funktionsweise dieses überwachen oder kontrollieren zu können, d.h. unter Unsicherheit und Risiko. Vertrauen in IS wird als ein kognitiv und affektiv erlebter Zustand des einzelnen Nutzers verstanden, der sich in Abhängigkeit von der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit eines IS sowie der individuellen Vertrauensdisposition gegenüber Technologien im Allgemeinen entwickelt und verändert.
  • Trust in a Specific Technology: An Investigation of Its Components and Measures (McKnight et al., 2011) Theoretical model of trust in management information systems (MIS) (Meeßen et al. (2020)) (Theoretisches Modell des Vertrauens in Managementinformationssysteme (MIS))
  • Aufgrund verschiedener Studien aus dem Projekt lassen sich Aussagen darüber machen, welche Prädiktoren besonders relevant für das Vertrauen in Informationssysteme sind – auch in verschiedenen Phasen einer Systemeinführung (Thielsch et al., 2018, Meeßen et al., 2020; Müller et al., 2023)
    • Qualität des Systems: Reliabilität Auf Basis früherer Erfahrungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit eines Systems, dem Fehlen und der Richtigkeit von Daten, der technischen Verifizierbarkeit und der Verbreitung des Systems wird ein System als reliabel bewertet. Die Reliabilität eines Systems ist besonders in frühen und mittelfristigen Phasen einer Systemeinführung ein relevanter Prädiktor von Vertrauen. Beispielzitat: Das System funktionierte so zuverlässig, dass ich mir keine Sorgen darüber machen musste, nicht die richtigen Dokumente vorlegen zu können.
    • Qualität des Systems: Anwendungsfreundlichkeit Ein System wird als anwendungsfreundlich verstanden, wenn es durch seinen Aufbau einfach und intuitiv nutzbar ist. Die Anwendungsfreundlichkeit ist in frühen, mittelfristigen und langfristigen Phasen einer Systemeinführung ein wichtiger Prädiktor des Vertrauens in das System. Beispielzitat: Es ist einfach zu bedienen. [...] Wenn man den Vorgang ein paar Mal gemacht hat, ist man mit dem System vertraut, weil man nicht viel falsch machen kann, denn das System ist einfach aufgebaut.
    • Qualität des Systems: Flexibilität Flexibilität hat einen positiven Einfluss auf das Vertrauen von Nutzer:innen. Es agiert somit als Antezedent. Allerdings sind die positiven Effekte von Flexibilität nur bis zu einem gewissen Schwierigkeitsgrad messbar. Bei hoher Komplexität ist somit eine erhöhte Flexibilität des Informationssystems nicht unbedingt hilfreich. Beispielitem: Manipulationschecks für die wahrgenommene Flexibilität ("Wie haben Sie das von Ihnen genutzte Informationssystem erlebt?")
    • Qualität der Information: Glaubwürdigkeit Ein System wird als glaubwürdig wahrgenommen, wenn die bereitgestellten Informationen authentisch und verlässlich sind und ihnen vertraut werden kann. Die Glaubwürdigkeit eines Systems ist besonders in mittel- und langfristigen Phasen der Einführung eines Systems ein wichtiger Prädiktor von Vertrauen. Beispielitem: Ich halte die bereitgestellten Informationen für authentisch.
    • Qualität des Services: Support Support beinhaltet die Instandhaltung des Systems und das Vorhandensein von Kontaktpersonen bei Auftreten von Problemen. Beispielzitat: Da ich einen Ansprechpartner habe, wenn ein Problem auftritt, habe ich noch mehr Vertrauen in die Aufgabe, die ich ausführe.
    • Involvierte Personen: Fähigkeiten Die Fähigkeiten der Personen, die für das System verantwortlich sind, haben Einfluss auf das Vertrauen gegenüber dem System. Zu den Fähigkeiten zählen eine ausreichende Qualifikation, berufliche Kompetenzen sowie Fertigkeiten. Beispielitem: Ich denke, ich kann mich auf die Fertigkeiten der involvierten Personen verlassen.
    • Kontextfaktoren: Miteinbezug Miteinbezug wird dann wahrgenommen, wenn ausreichende Informationen über Veränderungen und Entscheidungen bezüglich des Systems vorliegen und Personen das Gefühl haben, an diesen beteiligt zu sein. Beispielitem: Ich bin in ausreichendem Maße an Änderungen und Entscheidungen, die das System betreffen, beteiligt.
  • Auch über die positiven Effekte von Vertrauen im Kontext der Informationssystem-Nutzung lassen sich aus unserer Forschung vielfältige Aussagen machen. Positive Effekte zeigten sich für:
    • Gerichtetes Vergessen: Hertel et al. (2019) und Meeßen et al. (2020) konnten in ihren Laborstudien zeigen, dass das Vorhandensein eines Informationssystems das gerichtete Vergessen von aufgabenbezogenen Informationen triggern konnte – wenn dem System vertraut wurde. Personen, die dem Informationssystem vertrauten, erinnerten sich signifikant weniger an Informationen, die die Aufgaben betrafen und signifikant besser an Informationen ohne Relation zur Aufgabe. Somit konnte gezeigt werden, dass die vertrauensvolle Nutzung eines Informationssystems kognitive Kapazitäten der Nutzer*innen freisetzen konnte. Zudem konnte ebenso gezeigt werden, dass das Vertrauen in ein Informationssystem auch positiv mit dem Vergessen von Arbeitsroutinen einhergeht (Müller et al., 2023). Bei der Einführung eines neuen Informationssystems wurden alte Arbeitsroutinen sign. stärker vergessen, wenn dem System vertraut wurde.
    • Arbeitsleistung: Auch die Arbeitsleistung (Erfolg der Aufgabenerledigung, Zeit für die Aufgabenerledigung, Erfüllung der Ansprüche des Arbeitsplatzes) konnte in verschiedenen Labor- und Feldstudien unter Einbezug subjektiver wie objektiver Maße als positives Outcome von Vertrauen in ein Informationssystem nachgewiesen werden (Meeßen et al., 2020; Müller et al., 2020, Müller et al., 2023; Müller et al., under review; Reiners et al., under review).
    • Wohlbefinden: Zuletzt zeigte sich in verschiedenen unserer Studien, dass Vertrauen in ein Informationssystem signifikant positiv mit dem Wohlbefinden der Nutzerinnen bzw. negativ mit dem wahrgenommenen Stress während der Systemnutzung einhergeht (Meeßen et al., 2020; Müller et al., 2020; Müller et al., 2023; Müller et al., under review; Reiners et al., under review)